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Die traditionellen Engadiner Häuser in Sils prägen das Dorfbild auf einzigartige Weise. Sie sind aber auch grossartige Geschichtenerzähler. Dabei berichten sie nicht nur von gestern, sondern ebenso vom höchst lebendigen Silser Handwerk.
«Ein Dach aus Fexer Platten hält eine Ewigkeit. Ein modernes Ziegeldach braucht alle 20 Jahre ein Update.» Kaum einer kennt die Steindächer der alten Engadiner Häuser in Sils und im Val Fex so gut wie Claudio Meuli. Schon sein Grossvater arbeitete im Steinbruch Cheva Plattas da Fex, wo die begehrten Glimmerschieferplatten herkamen. Heute führt Claudio Meuli in dritter Generation einen Silser Dachdecker-Betrieb. «Es ist eine Passion. Wir Handwerker erhalten nicht nur alte Bausubstanz, wir bewahren auch altes Wissen. Wir sind die Hüter jahrhundertealter Traditionen.»
Silser Handwerk hat aber nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft. Denn es zeigt, wie moderne Nachhaltigkeit geht. Für Claudio Meuli ist die Wiederverwendung bestehender Materialien selbstverständlich, nicht zuletzt, weil es im Engadin seit jeher zum Bauen gehört: «Keine Steinplatte wird weggeworfen. Aus alten Dächern werden neue Dächer – oder auch mal edle Böden für Küchen und Dielen.» Wie dauerhaft solches Bauen ist, führen einem die Jahreszahlen der stattlichen Häuser vor Augen, die entlang der Via da Marias und im Val Fex zu bewundern sind. Einige sind älter als die Silser Dorfstatuten, die erstmals 1591 festgelegt wurden.
«Steindächer sind Kunstwerke. Man beginnt von unten mit den grossen Steinen und gegen oben zum First werden die Steine etwas kleiner.»
Über die Jahrhunderte hatte sich der Typus des Engadiner Hauses von der einfachsten Unterkunft für Mensch und Vieh zum stattlichen Bauernhaus entwickelt. Dabei galt es für die Baumeister alles unter ein Dach zu bringen: Stall, Heustock, Mistlege und Wohnräume für mehrere Generationen. Im Sulèr, dem grossen, fensterlosen, Raum im Erdgeschoss wurde gearbeitet. Er war eine Art Innenhof, dem auch die Stallscheune (Talvo) angegliedert war.
Gelebt wurde in der Stüva und in der gewölbten Küche (Chadafö), den einzig beheizbaren Räumen im Erdgeschoss. Wärmespender waren aber nicht nur der gemauerte Stubenofen und der Kachelofen, sondern ebenso das Vieh und die Mistlege im Untergeschoss. Höchst energieeffizient, würde man heute sagen. Auch der Lichteinlass war nach dem Effizienzprinzip konzipiert: Die Seiten der kleinen Fensternischen wurden jeweils so angewinkelt, dass sie ein Maximum an Licht in das Innere des Gebäudes einliessen.
Was uns heute an den alten Engadiner Häusern fasziniert, ist nicht nur ihre Funktionalität, sondern auch ihre Schönheit. Aussen schmückten markante Sgrafitto-Ornamente die Fassaden. Aber auch Fenster und Türen wurden mit kunstvoll geschmiedeten Metalldekorationen verziert. Innen sorgen einfache Schnitzereien für Behaglichkeit. «Als Handwerker verbinden wir das Nützliche und das Schöne», erläutert der Silser Schreinerlehrling Andri Clalüna.
Andri lernt das Handwerk seines Vaters. Und wie sein Vater, hat er schon einige Engadiner Truhen geschreinert. «Auch das lernen wir in der Berufsschule. So erhalten wir unseren lokalen Stil.» Zu diesem lokalen Stil gehört auch die sogenannte Stüva: eine Stube ausgekleidet mit wohltuendem Arvenholz und mit Engadiner Holzmöbeln ausgestattet. «Das frisch geschlagene Arven-Mondholz, das wir verarbeiten, wird hier in der Gemeinde geschlagen. Alte Hölzer werden nach Möglichkeit wieder verwendet. So verbindet unser Handwerk Geschichte und Gegenwart.»
«Arvenholz ist kostbar. Alte Hölzer werden ausgebaut und wieder verwertet. Einige sind bis zu 300 Jahre alt.»
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