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Nietzsche, Proust, Hesse, Rilke, Thomas Mann, William Faulkner ... Würde man eine Gästeliste von Sils zusammenstellen, hätte man ein «Who is Who» weltberühmter Literaten, Philosophen, Musiker und Maler. Einige waren nur kurz zu Gast, andere kamen jeden Sommer. Von Sils geschwärmt haben alle. Wandeln Sie auf ihren Spuren.
Mindestens 600 Tage, so hat man gezählt, war der Philosoph zwischen 1881 und 1888 in Sils. Doch Nietzsche kam nicht, um Ferien zu machen, sondern um konzentriert zu arbeiten – und zu spazieren. Einquartiert hatte er sich im düsteren Zimmer eines schmucklosen, bescheidenen Hauses: Er wollte seine kranken Augen und seine Finanzen schonen. Schon bald war er der «Einsiedler von Sils», eine markante Erscheinung, die jeder kannte.
Möchten Sie erleben, von wo aus die deutsche Philosophie revolutioniert wurde? Dann werfen Sie einen Blick in die enge, dunkle Kammer des «Höhlenbärs», wie Nietzsche sich selbst nannte. 1960 eröffnet, ist das Nietzsche-Haus heute Gedenkstätte, Museum, Bibliothek, Galerie, Künstler-Pension und Tagungsort in einem. So unscheinbar das nahe am Fels gelegene Haus in der Via da Marias 67, so gross ist seine Strahlkraft: Hier wird das Erbe des grossen Philosophen aufs Anregendste bewahrt.
«Mir ist es, als wäre ich im Lande der Verheissung. (...) Hier will ich lange bleiben.»
Spazieren Sie über die Halbinsel Chastè: Sie war schon für Nietzsche die «schönste Stelle des Engadins». Der Nietzsche-Gedenkstein an der Südspitze erinnert an seinen Lieblingsplatz. Nietzsche liess sich aber auch gerne mal über den Silsersee rudern. Überhaupt: Wasser und Weite beflügelten seine Gedanken. Und so sah er auf einem Spaziergang am Ufer des Silvaplanersees plötzlich die Konzeption seines Hauptwerks «Also sprach Zarathustra» vor sich. Ein pyramidenförmiger Granitblock am Seeufer beim Wasserfall in Surlej trägt deshalb den Namen «Zarathustra-Stein».
Die Einzigartigkeit von Sils sprach sich unter den Literaten schnell herum. Als einer der ersten wandelte Marcel Proust am den Ufern des Silsersees. Vor allem Schriftsteller und Verleger zog es immer wieder hierher. Wer etwas auf sich hielt, stieg im Hotel Waldhaus ab: Thomas Mann und Hermann Hesse, Alberto Moravia und Carl Gustav Jung, Erich Kästner und Friedrich Dürrenmatt zählten zu den vielen illustren Waldhaus-Gästen. In unmittelbarer Nähe zum Hotel, in der Villa Spitzer, verbrachte Anne Frank 1935 und 1936 ihre Ferien. Auch wenn Sie nicht im Waldhaus logieren, den Besuch dieses einzigartigen Hotels sollten Sie sich nicht entgehen lassen, und sei es nur auf einen Nachmittagstee oder einen Drink an der Bar.
«(...) Nicht leicht spreche ich von Glück, aber ich glaube beinahe, ich bin glücklich hier.»
Auch in der Musikszene gab das Hotel Waldhaus den Takt an: Grosse Dirigenten wie Bruno Walter, Otto Klemperer und Georg Solti erholten sich hier von Konzerten und Tourneen. Claudio Abbado machte immer wieder im Fextal Ferien, war aber auch öfters im Waldhaus zu finden, wo er am dortigen Flügel übte. Im Kirchlein Fex Crasta hat er im November 2014 seine letzte Ruhe gefunden. Das Nischengrab bei der Kirche erinnert an den Jahrhundert-Dirigenten.
Gefeierte Interpreten wie Wilhelm Backhaus, Clara Haskil, Wilhelm Kempf und Dinu Lipatti gaben hier Kostproben ihres Könnens. Komponisten wie Richard Strauss und Arthur Honegger genossen im Waldhaus die Sommerfrische. Aber auch Rod Stewart und David Bowie haben Urlaubstage in Sils verbracht.
Wer vom Dorfplatz Sils Maria nach Sils Baselgia spaziert, ist durch ein Jahrhundert Kulturgeschichte unterwegs: Die Weinbar «vis-à-vis» und die Chesa Marchetta am Dorfplatz finden sich auf Gemälden Marc Chagalls. Auf der Via da Marias sind bereits Charlie Chaplin und Albert Einstein spaziert. Madame Churchill und Charlie Chaplin sind beispielsweise in der ehemaligen Konditorei Schulze (Chesa Botton d`Oro) eingekehrt, einem einstigen Treffpunkt der mondänen Welt. Die Alpenrose, seinerzeit das erste Hotel von Sils, beherbergte u.a. den Reiseführer-Verleger Baedeker und den Philosophen Karl Jaspers. In Sils Baselgia, im palazzoartigen Parkhotel Margna, haben Rainer Maria Rilke, aber auch Arthur Schnitzler, Max Frisch, Carl Zuckmayer und der Theaterregisseur Kurt Hirschfeld logiert. In unmittelbarer Nähe, in den Häusern Chesa Castelmur und (gegenüber) «Haus Jäger», wohnte Annemarie Schwarzenbach, die extravagante Reiseschriftstellerin, Journalistin und Freundin der Familie Mann.
Der Ausflug ins Fextal hat zahlreiche Literaten inspiriert. Die einen, wie etwa Hermann Hesse, waren von der Natur überwältigt, andere hatten einen ironischen Blick auf die erholungssuchenden Städter. So dichtete der Berliner Schriftsteller Kurt Tucholsky: «Wenn sie durch die Landschaft gehn, wird ihnen hintenrum so mondän.» Friedrich Dürrenmatt, auch ein häufiger Gast in Sils, hat dem Hotel Sonne Fex in seinem letzten Werk (Turmbau. Stoffe IV–IX, 1990) ein lesenswertes literarisches Denkmal gesetzt.
Der alte Steinbuch zuhinterst im idyllischen Val Fex erwacht zu neuem Leben und wird für Gäste wie auch für Einheimische zugänglich gemacht. Nachdem dieser im Jahr 1964 aufgegeben wurde, ist es dort ruhig geworden. Die Fexerplatten sind ein historisches und kulturelles Gut, die es nur im Val Fex zu finden gibt. Einblick in die Geschichte des Steinbruchs bietet ein Besuch bei der Alp da Segl (nur im Sommer). Der Ausflug kann im Sommer mit dem Besuch des Steinbruchs «Cheva Plattas da Fex» abgerundet werden, dieser befindet sich rund 15 Minuten von der Alp das Segl entfernt.
Die Engadiner Bergwelt mit ihrem besonderen Licht hat viele grosse Künstler inspiriert. Wer die Bilder Giovanni Segantinis und Giovanni Giacomettis kennt, sieht die Pracht des Bergsommers und die weisse Welt des Winters mit anderen Augen. Während diese Künstler ihr Atelier in den Oberengadiner Bergen hatten, kamen andere als malende Gäste nach Sils: Ferdinand Hodler etwa, dessen Gemälde «Silvaplanersee im Herbst» (1907) zur Ikone wurde. Begeisterte Sils-Gäste waren auch Max Liebermann, Oskar Kokoschka, Emil Nolde, Max Ernst und Marc Chagall. Ebenso wie Joseph Beuys wandelte auch Gerhard Richter auf Nietzsches Spuren. Während Beuys eine Postkartemit dem Slogan «La Rivoluzione Siamo Noi» (1970) produzierte, schuf Richter sein einzigartiges Künstlerbuch «Sils» (1992).
Wohl kein zweites Mal haben sich in einem Dorf die Wege so vieler Denker, Dichter, Maler und Musiker gekreuzt wie in Sils...
Galerien in Sils
Die Galerie Fex und Gallaria Chesina bieten saisonal sehenswerte Ausstellungen.
Museen in Sils
Lernen Sie das Nietzsche-Haus und das Museum Andrea Robbi kennen.
Kulturelle Veranstaltungen in Sils
Geniessen Sie Kultur in Sils – jede Saison lockt der Ort mit zahlreichen Kulturhighlights.
Kultur im Engadin
Ein umfassendes Kulturangebot, einmalige Events, einheimische Bräuche und Traditionen sind Teil der Engadiner Lebensart.
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